Sonderausstellung im Wintergarten
Einblick in die Welt der Chilis: Scharfe Früchte unter Palmen
Ob als feurige Note im süßen Kakao oder belebendes Aroma im knackigen Salat: Als Gewürz ist der Chili in der Küche ein beliebter Begleiter für zahlreiche Gerichte. Dass die bunten Früchte aber auch mit Formenund Farbenreichtum beeindrucken können, beweist die aktuelle Sonderschau der Wilhelma in Stuttgart. Glockenförmig oder erbsengroß, von Schneeweiß bis Schokoladenbraun präsentieren sich die etwa 100 verschiedenen Arten und Sorten zwischen Palmen und Moosfarn im historischen Wintergarten.
Dabei können nicht alle Vertreter dieser Nachtschattengewächse mit einem pikanten Geschmackserlebnis aufwarten. Denn wie der Schärferekordhalter „Carolina Reaper“ gehört auch die süßliche Gemüsepaprika zu der Pflanzengattung Capsicum. Deren Wildformen stammen aus Süd- und Mittelamerika und besitzen kleine, nach oben gerichtete Früchte, die kaum von Laub verdeckt werden. Dadurch landen die Chilis gezielt in Vogelmägen, die Samen werden ausgeschieden und somit weiter verbreitet. Erst durch sorgfältige Auswahl und Kreuzung entstand die heutige Varianz der Chilis, die sich vor allem in Größe und Gewicht, Farbenspektrum und Schärfegraf der Früchte zeigt. Während die bekannte Sorte „Tabasco“ beispielsweise mit tiefroten, länglichen Schoten glänzt, entwickeln sich aus den Blüten der „Nu Mex Centennial“ runde, lilafarbene Beeren, die sich erst während der Reife über Gelb und Orange zu Rot färben. Durch eine charakteristisch gefurchte Tropfenform zeichnet sich dagegen die „Habanero“ aus, die gleich in unterschiedlichen Schattierungen von Sattgrün bis Senfbraun vorkommt.
Um diese Exoten jeden Spätsommer in ihrer ganzen Vielfalt zeigen zu können, beginnen die Vorbereitungen im Zoologisch-Botanischen Garten in Stuttgart schon am Jahresanfang. Bereits Ende Januar werden die ersten Sorten ausgesät und hinter den Kulissen im geschützten Gewächshaus zu Jungpflanzen herangezogen. Capsicum liebt warme Temperaturen um 20 Grad und muss gleichmäßig feucht gehalten werden. Anfang Mai geht es für die Gewächse dann langsam nach draußen in die Sonne, damit sie unter intensivem UV-Licht größer und kräftiger werden können. Je nach Sorte bilden die Chilis ab Juni die ersten Früchte aus und zeigen sich somit pünktlich zum Umzug in den Wintergarten in voller Pracht.
Was für die kundigen Gärtnerinnen und Gärtner eigentlich Routine ist, geriet diesmal allerdings zu einer kleinen Herausforderung. Denn im vergangenen Jahr hatte sich gezeigt, dass die bisherige Chili-Sammlung von einer Viruserkrankung befallen war. Wie auch bei Menschen und Tieren können Viren lange unerkannt in Pflanzen schlummern, ohne dass äußere Anzeichen zu sehen sind. Kommt es dann zum Ausbruch, weil die Gewächse schwächeln, sind sie meist nicht mehr zu retten. Da eine Übertragung über das Saatgut, das von befallenen Chilis stammt, nicht ausgeschlossen werden kann, mussten die Bestände komplett neu aufgebaut werden. Die Samen dafür kommen im Tausch von anderen botanischen Gärten oder werden zugekauft. Diese Mühe hat sich gelohnt: Etwa 300 Pflanzen konnten erfolgreich aufgezogen werden, die nun die Basis für die nächste Generation Wilhelma-Chilis bilden.
Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart
17.09.2020
Wasserscheue Gänse mit eigenwilligen Brutzeiten
Kinderstube bei den australischen Hühnergänsen
Aufgeregtes Geschnatter schallt derzeit regelmäßig über die Australien-Anlage der Wilhelma in Stuttgart: Vor nicht einmal zwei Wochen sind fünf junge Hühnergänse geschlüpft. Begleitet von ihren wachsamen Eltern durfte die kleine Gänseschar in dieser Woche ihren Stall verlassen und lässt sich nun täglich bei ihren Ausflügen ins Grüne beobachten.
Die Zucht dieser Entenvögel ist im Zoologisch-Botanischen Garten bereits mehrfach gelungen. Mit dem Spätsommer hat das Paar in diesem Jahr allerdings einen ungewöhnlichen Zeitpunkt für ihre Kinderstube gewählt, denn die Hühnergänse sind eigentlich Winterbrüter. Ihre Heimat liegt im Süden Australiens und auf der Insel Tasmanien, wo sie an Küstenstreifen und auf kleinen Eilanden leben. Dort legen die Hühnergänse ihre Eier im Mai ab, wenn sich auf der Südhalbkugel der Winter ankündigt. „Für die Tiere ist dabei die Länge des Tageslichts ausschlaggebend“, erklärt Revierleiter Mario Rehmann. „Erst wenn diese unter acht Stunden liegt, beginnt die Brutsaison. Aufgrund der Niederschläge wächst dann das Gras am stärksten, das für die Vögel die wichtigste Nahrungsquelle ist.“ An diesem natürlichen Rhythmus orientieren sich die Hühnergänse auch, wenn sie in unseren Breitengraden gehalten werden und widmen sich in der Regel erst ab Oktober der Jungtieraufzucht. Weil das winterliche Futterangebot auf der Wilhelma-Anlage eher karg ausfällt, bekommen die Küken in dieser Zeit gekeimten Weizen zugefüttert und sind im beheizten Innengehege untergebracht. Aktuell fühlt sich die Gänsefamilie in der milden Spätsommersonne aber auch draußen gut aufgehoben, während regelmäßige Niederschläge für ausreichend Grün auf der Wiesenfläche sorgen.
Wasser hat dagegen für die Hühnergänse im Gegensatz zu vielen ihrer Verwandten nur wenig Anziehungskraft. Mit ihren reduzierten Schwimmhäuten und langen Krallen sind sie auf ein Leben auf festem Grund angepasst und ziehen sich nur bei Gefahr in Gewässer zurück. Für ihr Gelege suchen sich die Vögel von hohen Gräsern oder Büschen geschützte Bereiche, das Nest bauen Gans und Ganter gemeinsam. Ist das erste Ei gelegt, verlässt das Weibchen den Brutplatz für die fünf Wochen bis zu Schlupf kaum noch, während das Männchen benachbarte Artgenossen und Eindringlinge mit angehobenen Flügeln und durchdringenden Rufen auf Abstand hält. Denn sowohl die Eier als auch die Jungtiere sind für Räuber leichte Beute. Während in Australien Möwen oder verwilderte Hauskatzen Jagd auf die jungen Gänse machen, können in der Wilhelma Krähen oder Füchse zu einer Gefahr für die Küken werden. Auch die friedlichen Roten Riesenkängurus, die sich die Anlage mit den Hühnergänsen teilen, müssen daher im Moment mit der einen oder anderen Attacke leben, wenn sie sich zu nah an die Schützlinge des Pärchens heranwagen. Schon in zwei bis drei Monaten wird sich die Wachsamkeit der Gänseeltern ausgezahlt haben. In dieser Zeit legen die Küken langsam ihr flauschiges, schwarzweiß gestreiftes Dunengefieder ab und wachsen zu stattlichen, hellgrauen Jungvögeln heran.
In ihrer Heimat wurden die Hühnergänse als Konkurrenten zu Weidetieren stark bejagt, durch Lebensraumvernichtung fanden sie zudem immer weniger Brutplätze. Um 1960 stand die Art sogar kurz vor der Ausrottung. Seitdem stehen die Vögel unter Schutz, so dass sich die Bestände inzwischen erholt haben.
Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart
17.09.2020