Wilhelma Stuttgart

Hoffnungsträger für stark bedrohte Art

Zuchterfolg im Doppelpack: Jungtiere bei den Säbelantilopen

Bereits zum dritten Mal gab es zweifachen Nachwuchs bei den Säbelantilopen. Seit kurzem sind die Jungtiere gemeinsam mit Grévy-Zebras und Dorcas-Gazellen auf der Außenanalage unterwegs.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Entspannt auf dem warmen Sandboden liegen und gemeinsam im Galopp herumtoben: Seit dieser Woche zeigen sich die beiden kleinen Säbelantilopen, die im Juli und August in der Wilhelma in Stuttgart zur Welt kamen, auf der Außenanlage. Gut behütet von ihren Müttern Isis und Mahedi wachsen die jungen Kühe im Zoologisch-Botanischen Garten zu stattlichen Hornträgern heran. Diese Möglichkeit war ihren wildlebenden Artgenossen in der Vergangenheit nicht vergönnt. Denn die Säbelantilopen gelten seit dem Jahr 2000 in der Natur als ausgestorben.

Die großen Herden, die einst die Randgebiete der Sahara und die Sahelzone bevölkerten, fielen im Lauf des 20. Jahrhunderts nach und nach dem Menschen zum Opfer. Fleisch und Fell dieser Oryx-Antilopen waren begehrt und die beeindruckenden Hörner als Trophäen beliebt: Bis zu 1,20 Meter misst der säbelartig gebogene Stirnschmuck bei ausgewachsenen Tieren. Zu Wilderei kamen außerdem längere Dürreperioden, Bürgerkrieg und Lebensraumverlust durch die zunehmende Viehhaltung von Schafen und Ziegen. Nur weil es auch einen kleinen Oryx-Bestand in Zoos gab, konnte die Art überleben und ihre Population in menschlicher Obhut wieder anwachsen. Einige Säbelantilopen wurden sogar in ihren früheren Heimatgebieten im Tschad wieder angesiedelt. Auch der Zoologisch-Botanische Garten ist mit seiner kleinen Herde Teil des Erhaltungszuchtprogramms der Europäischen Zoos – und das mit Erfolg. Denn Isis und Mahedi leben erst seit 2016 in der Wilhelma, hatten nun aber bereits zum dritten Mal Nachwuchs.

Zu einer gelungenen Aufzucht gehört dabei auch immer eine gute Planung. Einmal im Jahr steht für die beiden Damen ein Besuch bei Säbelantilopen-Bock Amadi an. Er lebt auf dem Tennhof, der nicht öffentlichen Außenstelle der Wilhelma. „Immer im Herbst bringen wir die beiden Kühe für einige Wochen zu unserem Bock“, berichtet Revierleiter Daniel Wenning. „Wenn er erfolgreich deckt, kommt der Nachwuchs nach etwa acht Monaten im Frühjahr oder Sommer zur Welt. Dann haben die Weibchen ausreichend frisches Grünfutter und für die Kleinen sind die Temperaturen angenehm.“

Die erste Zeit nach der Geburt verbringen die Tiere aber erst einmal im rückwärtigen Bereich. Denn als Ablieger bleiben die Neugeborenen zunächst an einem geschützten Ort und folgen erst nach etwa vier Wochen der Herde. Sobald die Kleinen flink auf den Hufen sind, werden sie schrittweise mit den anderen Savannenbewohnern zusammengeführt. „Die Antilopen kommen anfangs alleine ins Außengehege, damit die Kälber die Verstecke kennenlernen“, erzählt Daniel Wenning. „Unsere Grévy-Zebras scheuchen den Nachwuchs schon mal über die Anlage. Dann müssen die Jungtiere wissen, wohin sie sich zurückziehen können.“ Die umsichtige Vorbereitung hat sich ausgezahlt, denn wie in den Jahren zuvor lief die Vergesellschaftung mit den erfahrenen Zebrastuten und den DorcasGazellen sehr gut. So können die beiden jungen Säbelantilopen nun jeden Tag beim Sonnenbaden und Heranwachsen beobachtet werden.

Text: Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Foto: Wilhelma Stuttgart
28.09.2020

Elise Berger: „Mein Leben mit Alwin Berger“

Buch über den vergessenen Leiter der Wilhelma vorgestellt

Familie Berger in der Wilhelma: Alwin Berger (rechts) und seine Frau Elise mit ihren beiden Kindern.
Archivfoto: Alwin-Berger-Archiv Möschlitz

Nicht alle Kapitel der langen Wilhelma-Geschichte sind heute so bekannt wie die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei genauerer Betrachtung tun sich erstaunliche Lücken auf. So wird der letzte Hofgartendirektor des Königshauses Württemberg mit fast keinem Wort in den Geschichtsbüchern über den ZoologischBotanischen Garten Stuttgart genannt. Obwohl Alwin Berger ein international anerkannter Botaniker und vor allem Experte für Kakteen und Sukkulenten war, taucht er in der Liste der Leiter der Wilhelma bis heute nicht auf. Mit dem Erscheinen der Lebensgeschichte Alwin Bergers im Eugen Ulmer Verlag kann zumindest teilweise eine Lücke in der Wilhelma-Historie geschlossen werden.

Die Buchpräsentation übernahmen (von links) Wilhelma-Direktor Dr. Thomas Kölpin, Herausgeber Rainer Redies und Volker Hühn, Programmleiter beim Eugen Ulmer Verlag.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Berger, 1871 im thüringischen Möschlitz (heute zu Schleiz gehörig) geboren, arbeitete sich rasch vom Gärtner zu einem angesehenen Botaniker auf. Nach Lehr- und Wanderjahren in Botanischen Gärten zwischen Dresden und Frankfurt, Freiburg und Greifswald folgte die Berufung an den Hanbury-Garten La Mortola in Italien. Seinen Dienst für den König von Württemberg trat er 1915 an und war ab diesem Zeitpunkt auch für die Geschicke der Wilhelma verantwortlich. Nach dem Ersten Weltkrieg war er es, der die Idee eines Botanischen Gartens in den Mauern der Wilhelma öffentlich machte. Leider gab es im damals zuständigen Finanzministerium des Landes Württemberg einen erbitterten Widersacher, der Berger das Leben schwer machte. Der Botaniker wurde degradiert und gab 1922 auf. Er legte sein Amt nieder und arbeitete von nun an in den USA, wo er allerdings nicht glücklich wurde. Einem Ruf ans württembergische Naturalienkabinett, dem heutigen Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart, folgte er daher und baute dort die botanische Sammlung aus. Hier war er auch bis zu seinem Tod 1931 tätig.

Die Spuren Alwin Bergers finden sich noch heute in der Wilhelma. Das Kakteenhaus, welches direkt am Haupteingang zu finden ist, wurde von ihm maßgeblich gestaltet. Durch seine hervorragenden Kontakte zu vielen Botanischen Gärten konnte der Pflanzenbestand des Königsgartens durch viele seltene Exemplare erweitert werden.

Das Buch „Mein Leben mit Alwin Berger“ erzählt die Lebensgeschichte des ehemaligen Wilhelma-Leiters.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Die Aufzeichnungen, die seine Frau Elise Berger für ihre Kinder handschriftlich und anekdotenreich festgehalten hat, waren lange Zeit im Familienbesitz. Dank des Entgegenkommens des Alwin-Berger-Archivs und der Recherchen von Rainer Redies gelangten sie an die Öffentlichkeit. Sie geben Einblick in eine erstaunliche Karriere und zeigen Alwin Berger zudem als Genie freundschaftlicher und kollegialer Beziehungspflege. Von seinem überreichen Arbeitsleben zeugen nicht zuletzt weit über 700 erst beschriebene Pflanzenarten und rund 300 Publikationen. Elise Berger lebte nach dem Tod ihres Mannes weiterhin in Bad Cannstatt, war aber als Jüdin den Repressalien und Schikanen des Nazi-Regimes ausgesetzt und wurde 1944 nach Theresienstadt deportiert, wo sie kurze Zeit später verstarb. Heute erinnert ein Stolperstein vor dem Haus in der Heidelberger Straße 44 an Frau Berger.

Text: Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Foto: Wilhelma Stuttgart
28.09.2020

10 Jahre Schmetterlingsschutz in Stuttgart

UN-Dekade zur Biologischen Vielfalt: BUND und Wilhelma erhalten Auszeichnung

Die Auszeichnung für das Schmetterlingsprojekt übergab Insektenkundler Prof. Dr. Lars Krogmann an Jutta Schneider-Rapp und Dr. Thomas Kölpin.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Bunte Inseln statt grüne Wüsten. Seit zehn Jahren engagieren sich der BUND-Kreisverband Stuttgart und die Wilhelma für den Schmetterlingsschutz. Zusammen schaffen sie auf mittlerweile 13 ausgewählten Wiesen in Stuttgart bunte Oasen für Schmetterlinge. Das Engagement und der Einsatz zahlen sich aus. Passend zum zehnjährigen Jubiläum wurden BUND und Wilhelma am Montag (21.9.) im Rahmen der UN-Dekade zur Biologischen Vielfalt ausgezeichnet. Damit bekommt der Schutz von Schmetterlingen und mit ihnen von vielen anderen Tieren und Pflanzen besonderes Gewicht. Zudem wurde der Einsatz von Ehrenamtlichen Schmetterlings-Kartierer*innen und den Wilhelma-Gärtner*innen gewürdigt.

„Blühende Wiesen in Großstädten sind wahre Oasen für viele Insekten“, betonte deswegen auch Prof. Dr. Lars Krogmann, Entomologe des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart, in seiner Laudatio. „Der Schwund der Vielfalt und vor allem der Anzahl an Insekten hat mittlerweile besorgniserregende Ausmaße angenommen. Deswegen ist es wichtig, dass Schmetterlinge gezielt unterstützt werden.“ Im Zentrum der Schutzmaßnahmen steht die besondere Pflege von ausgewählten Flächen. So werden mittlerweile 13 Stücke mit insgesamt fast sechs Hektar insektenfreundlich bewirtschaftet. Dazu gehört, dass sie nur noch maximal zweimal im Jahr gemäht werden. Zudem wurden an ausgewählten Stellen Wildkräuter gezielt angesät. Neben Schwalbenschwanz, Kleinem Fuchs und Admiral profitieren auch viele andere Insekten von diesen Maßnahmen. „Wir zeichnen verantwortlich für die Grünpflege aller Flächen, die dem Land BadenWürttemberg in Stuttgart gehören. An der Grabkappelle, im Rosensteinpark oder in der Wilhelma selbst zeigen wir, was eine insektenfreundliche Pflege auszeichnet“, berichtete Dr. Thomas Kölpin, Direktor der Wilhelma. „Damit kommen wir unserem Auftrag als Artenschutzinstitution auch bei uns vor der Haustür nach. Nicht nur Nashorn und Gorilla sind bedroht, sondern auch den Insekten in unseren Breiten geht es schlecht. Und hier zeigen wir gemeinsam, wie erfolgreicher Naturschutz funktioniert“, so Kölpin weiter.

„Trotz Parks, Grünstreifen oder Gärten gibt es für Schmetterlinge, Bienen und andere Insekten viel zu wenig geeignete Lebensräume in der Stadt“, sagte Berthold Frieß, Mitinitiator des Kooperationsprojekts und ehemaliger Landesgeschäftsführer des BUND Baden-Württemberg. „Als vor zehn Jahren der Startschuss für das Kooperationsprojekt fiel, wollten wir Lösungen anbieten und ganz konkret aufzeigen, wie naturnahe und insektenfreundliche Grünflächenpflege aussehen kann. Inzwischen gibt es 13 Schmetterlingswiesen in Stuttgart. Die Kooperation von Wilhelma und BUND und die Zusammenarbeit zwischen der Parkpflege der Wilhelma und den BUND-Ehrenamtlichen haben sich ausgezahlt. Auf den Wiesen summt und brummt es wieder.“ Seit Projektstart vor zehn Jahren haben die ehrenamtlichen BUND-Kartierer*innen 52 verschiedene Falter gezählt. Die Artenvielfalt auf den so gepflegten Flächen ist somit deutlich größer als auf Vergleichsflächen, bei denen die Nutzung nicht angepasst wurde. Das zeigt: Die naturnahe Wiesenpflege zahlt sich für die Artenvielfalt auf Stuttgarts Wiesen aus. Mit Himmelblauer-Bläuling und MalvenDickkopffalter leben hier auch zwei Falter, die in Baden-Württemberg gefährdet sind. Der Segelfalter ist im Südwesten sogar stark gefährdet.

„Dass sich die Zusammenarbeit so gut entwickelt hat, stimmt mich zuversichtlich und freut mich sehr. Es ist großartig, dass immer mehr Wiesen seit Projektstart hinzugekommen sind. Auch, dass sich das Kooperationsprojekt zu einer dauerhaften Zusammenarbeit mit Aktiven und tollen Umweltbildungsprojekten mit Schmetterlingsspaziergängen und Seminaren für alle Bürger*innen gemausert hat“, so der ehemalige BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß.

Herz und Hand des Schmetterlingsprojektes sind der Fachbereich Parkpflege der Wilhelma, der das naturnahe Pflegekonzept umsetzt, und die BUND-Aktiven. Freiwillige Kartierer*innen beobachten alle zwei Wochen im Sommerhalbjahr die Falter auf den Schmetterlingswiesen, so wie Jutta Schneider-Rapp. Mit sieben weiteren Aktiven beobachtet, zählt und dokumentiert sie Schmetterlinge. „Wir laufen immer denselben, 200 Meter langen Zickzack-Kurs durch die Wiese und schauen links und rechts nach Faltern. Der BUND Stuttgart freut sich sehr über die Auszeichnung. Wir hoffen, dass BUND und Wilhelma ihre fruchtbare Kooperation weiter ausbauen. Außerdem wünschen wir uns mehr Grün in der Stadt und naturnahe Privatgärten: viel mehr Blüten, wilde Ecken für Schmetterlinge und andere Insekten“, sagte die 56-Jährige. „Möge uns die UN-Dekade beflügeln.“

Informationen zur UN-Dekade Biologische Vielfalt

Die Vereinten Nationen haben den Zeitraum von 2011 bis 2020 als UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgerufen, um dem weltweiten Rückgang der Naturvielfalt entgegenzuwirken. Ein breit verankertes Bewusstsein in unserer Gesellschaft für den großen Wert der Biodiversität ist eine wichtige Voraussetzung. Die UN-Dekade Biologische Vielfalt in Deutschland lenkt mit der Auszeichnung vorbildlicher Projekte den Blick auf den Wert der Naturvielfalt und die Chancen, die sie uns bietet. Gleichzeitig zeigen diese Modellprojekte, wie konkrete Maßnahmen zum Erhalt biologischer Vielfalt, ihrer nachhaltigen Nutzung oder der Vermittlung praktisch aussehen können.

Der Begriff „biologische Vielfalt“ umfasst die Vielzahl der Tier- und Pflanzenarten sowie die Vielfalt der Mikroorganismen und Pilze. Einbezogen wird auch die genetische Vielfalt innerhalb der Arten, die sich bei Pflanzen in den verschiedenen Sorten und bei Tieren in den Rassen wiederspiegelt. Aber auch die verschiedenen Lebensräume und komplexen ökologische Wechselwirkungen sind Teil der biologischen Vielfalt. Die Biodiversität ist Voraussetzung für die Funktion der Ökosysteme mit ihren verschiedenen Ökosystemleistungen.

Text: Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Foto: Wilhelma Stuttgart
28.09.2020