Zuchtprogramm der Zoos rettete Tierart vor Aussterben
In der Natur ausgerottete Davidshirsche neu in der Wilhelma
Besondere Botschafter sind in die Wilhelma eingezogen. Die Neulinge erzählen eine traurige Geschichte mit einer positiven Wendung. Die aus Asien stammenden Davidshirsche würden gar nicht mehr existieren ohne den internationalen Einsatz von Zoos in Europa. Im Zoologisch-Botanischen Garten in Stuttgart äsen jetzt seit genau 20 Jahren erstmals wieder ein Hirsch und zwei Kühe dieser eindrucksvollen Art, fast so groß wie ein Rothirsch. In der Natur sind sie längst ausgerottet. Auch in menschlicher Obhut standen sie vor dem Aus. Sie stehen heute als Erfolgsstory dafür, dass Zoos Tierarten vor dem Aussterben retten können.
Einst besiedelten sie die Sumpfgebiete des östlichen Asiens. Die Zahl der begehrten Davidshirsche war immer weiter gesunken, bis es im 19. Jahrhundert nur noch eine Herde im so genannten Südlichen Hirschgarten bei Peking, einem Jagdrevier der chinesischen Kaiser, gab. Das Überleben solcher Einzelvorkommen ist äußerst bedroht, weil eine Seuche oder Naturkatastrophe die gesamte Art auslöschen kann. Auch dieser Restbestand fand sein jähes Ende, als eine Flut 1895 den Park ereilte. Viele Tiere ertranken, einige flohen aus dem Revier, wurden jedoch außerhalb von Wilderern erlegt. Einzelne Überlebende wurden in den Kriegswirren des Boxeraufstands 1900 geschossen. Der letzte Davidshirsch in Asien starb 1922 im Zoo von Peking, so heißt es.
Benannt sind sie nach dem französischen Pater Armand David, der sie 1865 als erster Europäer in China sah und Felle zur zoologischen Erstbeschreibung nach Europa schickte. Dass die Milus, wie sie auch genannt werden, überhaupt erhalten geblieben sind, lag einzig und allein daran, dass außerhalb ihres angestammten Lebensraums Zoos im fernen Europa eine Population gehalten haben, die als Reserve dienen konnte. Denn Diplomaten aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland hatten in der Folge vom Kaiser einige lebende Exemplare der seltenen Milus als Präsent bekommen. Diese wenigen Tiere führten sie im Park des Herzogs von Bedford, der bereits exotische Hirscharten in seinen Gärten hielt, zu einer Herde zusammen. In dieser erfolgreichen Zucht wuchs die Zahl über Generationen auf 300 Tiere an, aus denen Zoos nach dem Zweiten Weltkrieg weitere Zuchtgruppen aufbauten. So konnten inzwischen Davidshirsche nach Asien zurückgeführt werden. In einem Naturreservat für Milus in China leben mittlerweile rund 2000 von ihnen. Das Happy End wäre erreicht, wenn sie sich dort auch in der Natur wieder dauerhaft etablieren könnten.
Angepasst sind die Davidshirsche auf das Leben in sumpfigen Gebieten, wie tief gelegenes und zeitweilig überschwemmtes Gras- oder Marschland. Ihre großen Hufe sind spreizbar, was ein Einsinken verhindert. Sie ernähren sich dort gleichermaßen von Gräsern, Schilf und Wasserpflanzen sowie Sträuchern. Sie vertragen starke Temperatur-Unterschiede von minus 15 bis plus 35 Grad. Von allen Hirschen haben Milus den längsten Schwanz, der mit seiner schwarzen Quaste an Esel erinnert und 35 Zentimeter Länge erreichen kann. In der Wilhelma gab es Davidshirsche bereits einmal von 1993 bis 2001. Von den drei jetzt rund einjährigen Tieren erhielt die Wilhelma das Männchen aus dem Zoopark Chomutov im tschechischen Erzgebirge, die beiden Weibchen aus dem Tierpark Berlin.
Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart
30.05.2021