Leserbrief von Thomas Stephan zum Demokratiefest in Neustadt vom 27.05.22 – 29.05.22
„Qou vadis Demokratiefest?“
Unter dem Begriff „1832 Das Fest der Demokratie 2022“ lud die Stadt Neustadt am vergangenen Wochenende (27.05. – 29.05.22) ein. Als gebürtiger Neustadter folgte ich am Samstag mit meinen zwei Neffen der Einladung. Was ich dann aber erleben musste, lässt mich etwas ratlos zurück.
Zur Sache:
Nach der stimmungsvollen Eröffnung auf dem Marktplatz durch einen Chor, machten wir uns über den ausgeschilderten „Freiheitsweg“ Richtung Hambacher Schloss auf den Weg. Mit „Pauken und Trompeten“ die aus allen Ecken erklangen und Fahnen verschiedenster Coleur, hatte der Zug eine ausgesprochene Volksfeststimmung inne. Zunächst hielt die gute Laune jedoch nur bis Hambach. Die Wanderer wurden auf einmal als eine „nicht genehmigte Versammlung“ angesehen. Die Rheinpfalz schreibt in ihren Berichten von „Gegendemonstranten“. Auch meine Neffen und ich durften nicht weiter laufen. Auf mehrmaliges Nachfragen bei der Polizei und der Bitte weiterlaufen zu dürfen, bekam ich dann die Auskunft, dass wir „Teil der Versammlung seien“ und dementsprechend nicht weiter durften. Evtl. sollte ich erwähnen, dass wir nicht in weißer Kleidung unterwegs waren und keine Fahnen o.ä. bei uns hatten. Wobei schon alleine die Tatsache, dass dies erwähnenswert ist, ein ungutes Demokratiegefühl bei mir zurück lässt.
Gefangen in den Macht- und Ränkespielen lokaler Funktionsträger und einem Unternehmer aus Neustadt, ob den nun eine Versammlung vorläge oder nicht, mussten wir vor Ort ausharren. Nach einer guten Dreiviertelstunde in der prallen Sonne durften wir dann endlich weiter.
Als wir schließlich auf dem Platz unterhalb des Hambacher Schlosses ankamen, mussten wir den nächsten Dämpfer hinnehmen. Wegen angeblicher Überfüllung sei der Zugang zum Schloss nicht möglich, so teilte es die Polizei per Lautsprecherwagen mit. Es sollte dann nur noch weitere fünf Minuten dauern, bis wir uns laut Polizei, wieder einmal in einer „nicht genehmigten Versammlung“ befanden. Diese wollte die Polizei nach eigenen Angaben in spätestens 30 Minuten auflösen. Um nicht erneut in irgendwelche Ränkespiele auf diesem Platz zu geraten, versorgten wir uns in der nahegelegenen Gaststätte und hatten einen sehr guten Blick auf die gesamte Situation.
Trotz eines sehr, sehr massiven Polizeiaufgebots war die Menschenmasse auf dem Platz recht schnell wieder in Partystimmung. Es wurde „getrommelt und gepfiffen“, gesungen und getanzt. So muss es 1832 auch gewesen sein. Unmut kam lediglich auf, als eine Wagenkolonne durch die Menschenmasse raste um die Hautevolee an ihre Näpfe zu bringen. Das gemeine „Volk“ oder wie „Die Rheinpfalz“ schreibt, die „Gegendemonstranten“, durften nicht hinauf auf das Schloss. Erst nachdem zwei Stunden später die Staatskarossen samt Inhalt wieder den Platz geräumt hatten, gestattete man dem niederen Fußvolk auch den Zutritt zur „Wiege der Demokratie“. Bilder, mit GPS- und Zeitstempel versehen, belegen eindeutig, dass das Schloss zu keinem Zeitpunkt überfüllt war.
Ein Demokratiefest auszurufen ist eine Sache, Demokratie zu leben eine andere. Wenn große Teile der Bevölkerung nicht an einem Demokratiefest teilnehmen dürfen, weil „die da oben ihre“ Demokratie“ unter sich feiern wollen, und Meinungen, die nicht mit der eigenen in Einklang zu bringen sind, als „Demokratiefeindlich“ bezeichnet werden, ist es mit dem Geist von 1832 nicht weit her.
Thomas Stephan
05.06.2022
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05.06.2022