In der Wirtschaft sitzen gegen „Rechts“!
von M. Braun
Veranstaltung Naturfreundehaus Aktionstag „Rechtsextremen keinen Raum geben“ am Donnerstag, 21.März 2019 im Naturfreundehaus.
Um vier Uhr nachmittags bei strahlendem Frühlingssonnenschein in einer Gaststätte mit halb heruntergelassenen Vorhängen zu sitzen, um so „Flagge gegen Rechts“ zu zeigen, das zeugt von Engagement für die Sache. Waaas? Im Naturschutz gibt es Rechtsextreme? Das war vermutlich auch vielen der – bleiben wir mal bei der Wahrheit – nicht mehr ganz jungen Naturfreunde neu.
Das erklärt vielleicht auch, warum der Saal um diese frühe Uhrzeit schon recht gut gefüllt war: als Rentner hat man ja durchaus Tagesfreizeit und freut sich vielleicht auch über eine Möglichkeit, sich mit den „Naturgenossen“ zu treffen und wenn´s dann auch noch Streicheleinheiten für das gute Bürgergewissen gibt – umso besser!
Nach der Begrüßung und einigen warmen Worten von Bürgermeisterin Monika Kabs (CDU) ging es dann aber doch richtig zur Sache: da erfuhr man vom Referenten des Team „FARN“ (Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz) Entsetzliches über die lange Tradition (auch das übrigens ein Wort, das Rechte gerne verwenden, also: aufpassen!) des Naturschutzes schon seit der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.
Das Verbot des Schächtens beispielsweise wurde, wie der Referent ausführte von den Nationalsozialisten als Maßnahme gegen die jüdische Bevölkerung erlassen. Auch heute fände man die Forderung, das Schächten zu verbieten im Programm rechter Parteien. Es ginge nicht um den Tierschutz, vielmehr wolle man die Religionsausübung von Juden und Muslimen behindern. Manch ein Zuhörer, der auch gegen dieses qualvolle Ausbluten lassen von Tieren Position beziehen würde, schreibt sich auf seine Gedächtnisliste der verbotenen Wörter vielleicht in diesem Moment: „gegen Schächten – besser nicht laut sagen, weil Rechts“.
Alte Bekannte, so ließ der Referent verlauten, seien unter neueren Erkenntnissen heute scharf zu verurteilen. Den Nobelpreisträger der Medizin Konrad Lorenz, vielen wohl bekannt als „Vater der Graugänse“, Vordenker der Verhaltensforschung stellte er als üblen Nazischergen dar, er habe in Konzentrationslagern Menschenversuche durchgeführt. Viele der Zuhörer hatten da wohl den bestialischen Lagerarzt Mengele vor Augen. Das waren nun doch neue Informationen, die man so noch nicht kannte. „Kann das denn wahr sein?“ fragte sich da so mancher Naturfreund wohl. Dass Konrad Lorenz sich bis zu seinem Tode nie wirklich vom Nationalsozialismus distanziert hat, ja Teil des Systems war, macht ihn gewiss zu einer sehr problematischen Figur in der Geschichte der Wissenschaft, ein Besuch in einem Konzentrationslager oder die Teilnahme an Menschenversuchen ist allerdings nicht recherchierbar. Aber das macht ja nichts, wenn es gegen „Rechts“ hilft. Konrad Lorenz war im Übrigen später eine Leitfigur der VGÖ (Vereinte Grüne Österreichs), eine Vorgängerorganisation der Grünen in unserem Nachbarland.
Auch über Rudolf Steiner, den Vater der Walldorfschulen wird aufgeklärt: seine anthroposophische Lehre sei „tief rassistisch“. Über Werner und Ursula Haverbeck, Gründer der „Heimvolkshochschule für Umwelt und Lebensschutz“ gelangte der Vortragende zu den heutigen „Baustellen“. Natur und Umwelt seien in der heutigen Zeit links besetzt, das ärgere die Rechten.
Irgendwie hörte es sich dann aber doch so an, als ob es eher die „Linken“ ärgere, dass die „Rechten“ mit Schlagwörtern wie „Umweltschutz ist Heimatschutz“ oder „Heimat-Freiheit-Tradition“ durchaus Anklang in der Bevölkerung finden, und das nicht erst seit gestern.
In dieser langen „Tradition“ seinen nun die heutigen rechten Bestrebungen für den Naturschutz zu sehen. Da hörte man vom Referenten, dass sich die „Neue Rechte“ offenbar hauptsächlich aus niederen Beweggründen für den Natur- und Heimatschutz einsetzt, nämlich um die Heimat als lebenswerten Raum für die dort ansässige Bevölkerung zu bewahren.
Schwierig offensichtlich, in diesen Tagen die Natur auf die „richtige“, also auf die „linke“ Weise zu schützen. Seine Heimat zu lieben und bewahren zu wollen, ökologische Landwirtschaft, Plastik vermeiden, lokale Produzenten stärken, ja sogar gegen Kernkraft zu sein, das alles kann, wenn man nicht höllisch aufpasst als „Rechts“ ausgelegt werden. Und das kann man sich nun wirklich nicht leisten.
Also Vorsicht bei der Wahl der Aufkleber!
Die „Wählergruppe Schneider“, scheinbar ein Beispiel für lokale „Rechte“, bekam nun auch noch ihr Fett weg: die Teilnahme am „Dreck-Weg-Tag“ sei eine reine Propaganda-Aktion gewesen. „Wählergruppe hin oder her“, denkt sich da vielleicht ein Zuschauer und kratzt sich am schon lichten Haupt: „Ist denn so eine Teilnahme als Partei oder Interessengruppe nicht immer auch Propaganda?“
Die anschließende Diskussion kam nicht zustande. Es gab genau eine Wortmeldung, die sich mit dem Dreck-Weg-Tag beschäftigte und dass in Speyer trotz immerwährenden Aufräumens die Vermüllung nicht abreiße. Die zweite Anmerkung desselben Sprechers bezog sich auf die Abholzung von 80-100 Bäumen im Hambacher Forst durch eben jene Aktivisten, die sich dort ihr Baumhauslager eingerichtet hatten. Nicht so ganz in Sinne der Naturfreunde, irgendwie.
Mehr Wortmeldungen gab es nicht. Warum die angekündigte Diskussion nicht zustande kam, darüber kann man nur spekulieren. Vielleicht gibt es einfach keinen Diskussionsbedarf und alle Naturfreunde sind einer Meinung und stimmen dem Referenten völlig zu?
Das wäre ja supidupi! – Könnte man meinen.
Das wäre ja übel, alle komplett auf Linie? DDR-Verhältnisse? – Ist das möglich? Nein!
Traut sich niemand was zu sagen, aus Angst anzuecken? – Das wäre ja schlimm!
War der Vortrag zu lang und alle warteten schon auf die Musikbeiträge? – Na, hoffentlich nicht!
Waren vielleicht Leute, die andere Meinungen haben könnten, gar nicht erwünscht? – Das wäre ja schade, speziell für Leute, die sich Pluralismus und Vielfalt auf die Fahnen schreiben.
Naja, wir wissen es nicht und werden es wohl nicht erfahren, oder doch?
Foto: S24N, mah
23.03.2019