Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart

Drei-Jahres-Bilanz zum Tag des Artenschutzes am 3. März:

Zwei Millionen Euro gab Wilhelma an Artenschutz-Projekte weltweit

In Belize fahren „Wilhelma-Ranger“ im Boot Patrouille um das Shipstern-Reservat zu schützen.
Foto: CSFI

Einen neuen Meilenstein in ihrem Engagement für die Natur hat die Wilhelma zum Tag des Artenschutzes, der international am 3. März begangen wird, erreicht. Zwei Millionen Euro konnte der Zoologisch-Botanische Garten in Stuttgart innerhalb der vergangenen drei Jahre an Spenden und Eigenmitteln zusammentragen. So hat er die Zahl der damit weltweit unterstützten Projekte zum Schutz von bedrohten Tierarten und ihrer Lebensräume auf mehr als zwei Dutzend ausbauen können. „Wir haben einen langen Weg hinter uns, der uns jetzt zu erfreulichen Höhen geführt hat“, sagt Dr. Thomas Kölpin, der seit 2014 Direktor der Wilhelma ist. Damals kamen jährlich durch viele kleine Aktionen rund 30.000 Euro an Spenden für den Artenschutz zusammen. Die heutige Bilanz übertrifft diese Summe pro Jahr um das Zwanzigfache. „Durch das Bündeln der Kräfte von Wilhelma, unserem Förderverein und den Besucherinnen und Besuchern ist uns in den vergangenen drei Jahren der Durchbruch gelungen“, so Kölpin. „Wir haben damit Dimensionen erreicht, die uns zu einem Global Player machen als gewichtiger Kooperationspartner internationaler Organisationen, wie der Weltnaturschutzunion IUCN und dem Weltverband der Zoos und Aquarien WAZA.“

Der Nachwuchs ist bei den Sumatra-Nashörnern extrem kostbar, weil von dieser Art nur noch weniger als 80 Tiere existieren.
Foto: International Rhino Foundation

Die steile Entwicklung der vergangenen drei Jahre fußt auf drei Neuerungen: Die Wilhelma selbst konnte erstmals ein eigenes Artenschutz-Budget aufstellen, ihr Verein der Freunde und Förderer wurde dafür gewonnen, auch Projekte in den Herkunftsregionen der seltenen Tierarten zu unterstützen und die Gäste des Parks bekamen über den so genannten Artenschutz-Euro eine einfache Option, gleich beim Kauf der Eintrittskarte an der Kasse einen kleinen Beitrag zu leisten. Fast alle folgten dem Aufruf: Zirka 90 Prozent zahlten den freiwilligen Aufschlag. „Das war ein überwältigendes Votum, dass wir mit unserer Arbeit die Menschen erreichen“, sagt der Direktor. „Das gemeinsame Credo der Dachorganisationen WAZA und IUCN ist: Der Artenschutz im Zoo durch die Haltung und Zucht bedrohter Arten sowie der Einsatz vor Ort, um deren Artgenossen in ihrer Herkunftsregionen die Existenzgrundlage zu sichern, sind zwei Seiten derselben Medaille.“ Den Verlust der Biodiversität können nur alle zusammen bremsen: indem die Lebensräume durch Schutzmaßnahmen erhalten bleiben und Zoos Reservepopulationen bereithalten, um diese bei Bedarf in der Natur wiederansiedeln zu können. Ein erfolgreiches Beispiel dafür sind die in der Wildnis bereits ausgerotteten Säbelantilopen in Nordafrika.

Die Auffangstation Lola ya Bonobo bereitet Affenwaisen auf die Wiederauswilderung vor.
Foto: Lola ya Bonobo

Die von der Wilhelma geförderten Programme sind vielseitig und umspannen den Globus: Sie reichen unter anderem von der Betreuung von Bonobo-Waisen in Zentralafrika über die Wiederansiedlung von OrangUtans in eigens für sie aufgeforsteten Wäldern in Südostasien sowie die Buschbrand-Nothilfe in Australien bis zu Projekten in Südamerika. Dort wird der für die Tiere oft tödlich endende Konflikt um Bienenvölker zwischen Imkern und Riesengürteltieren entschärft. Dank des gestiegenen Spendenaufkommens konnten zusätzliche Förderungen bewilligt werden. Das sind in der Regel Finanzspritzen für konkrete Sachleistungen, wie den Bau von Nistplätzen für den Argala-Marabu in Nordindien, wo der große Storchenvogel auszusterben droht, oder den Kauf eines Jeeps für Umweltschützer auf Madagaskar.

Durch die nie gekannte Höhe der verfügbaren Mittel konnte die Wilhelma aber auch andere Ausmaße des Artenschutzes angehen. So war sie zum Beispiel in der Lage, sich am Landkauf im mittelamerikanischen Belize zu beteiligen, um einen naturbelassenen Regenwaldkorridor zwischen zwei Naturschutzgebieten gegen die Rodung durch Bauern abzusichern. Auf die Weise können die selten gewordenen Tiere wie Jaguar und Tapir besser ihre Gebiete wechseln, auf Artgenossen treffen und mehr Nachwuchs bekommen. Zugleich wird damit das gesamte Habitat für unzählige andere Tier- und Pflanzenarten bewahrt. Doch selbst ausgewiesene Naturreservate müssen ihrerseits geschützt werden. Deshalb hat die Wilhelma in Belize ebenso den Aufbau einer eigenen Ranger-Staffel finanziert. Vier Frauen und Männer patrouillieren nun dank der Spenden aus Stuttgart als „Wilhelma-Ranger“ das Shipstern-Reservat, um Wilderei oder Rodungen zu verhindern. 269.000 Euro wurden dafür bisher eingesetzt.

Zwei Artenschützer des Giant Armadillo Conservation Projects entlassen in Brasilien ein umgesiedeltes Riesengürteltier aus der Transportbox.
Foto: GACP

Zudem stieg die Wilhelma zum Offiziellen Strategischen Partner der Allianz zur Rettung des SumatraNashorns auf. Nur noch weniger als 80 Tiere sind davon bekannt. Sie leben aufgesplittert in kleine Gruppen in zehn getrennten Gebieten auf zwei indonesischen Inseln, so dass sich die Artgenossen kaum begegnen können. „Für das Sumatra-Nashorn ist es wenige Sekunden vor Zwölf“, betont Kölpin. „Die letzte Hoffnung ist, alle verbliebenen Tiere in drei Reservaten mit Zuchtstationen einander näherzubringen. Nur so besteht eine reelle Chance auf ausreichend Stammhalter.“ Die Wilhelma steuert 100.000 Euro bei für das große Bündnis, in dem sie unter anderem mit der IUCN, der International Rhino Foundation als weltweit größter Schutzorganisation für Nashörner sowie der National Geographic Society arbeitet.

„Wir können so unbeschreiblich viel mehr bewegen als früher, dass es mich mit großer Freude erfüllt“, sagt Direktor Kölpin. „Doch dürfen wir uns nicht zurücklehnen, weil der Bedarf gewaltig ist und unter CoronaBedingungen die Spenden zurückgehen.“ Im vergangenen Jahr hatte die Wilhelma durch niedrige Besucherlimits und monatelange Komplettschließungen aus Infektionsschutzgründen nur die Hälfte der sonst üblichen Gästezahl begrüßen können: rund 800.000 statt gut 1,6 Millionen. Das schränkte die Möglichkeiten ein, Gelder für den Artenschutz zu sammeln. „Für uns Menschen werden auch wieder bessere Zeiten kommen“, sagt Kölpin. „Die Tier- und Pflanzenwelt kann sich jedoch nur erholen, wenn wir uns um sie kümmern. Deshalb ermuntern wir alle, uns dabei zu unterstützen, und empfehlen allen Zoos, sich ihrerseits auf diesen Weg machen. Jeder Schritt zählt.“

Bluthunde helfen Wildhütern im Virunga-Nationalpark Wilderern auf die Spur zu kommen.
Foto: Wilhelma Stuttgart / Stefanie Reska

Die Philosophie der Wilhelma ist, jede größere neue Tieranlage mit der Kooperation mit einem Schutzprojekt zu verbinden. So fungieren Elefant, Affe, Nashorn und Co. in der Wilhelma als Botschafter ihrer Art. Das persönliche Erleben ist dabei ein wesentliches Element: „Wer diesen Tieren bei uns begegnet, ihnen Auge in Auge gegenübersteht, hat einen ganz anderen Zugang zum Artenschutz“, betont Stefanie Reska, die bei der Wilhelma das Thema betreut. „Die Begeisterung weckt die Motivation, diesen Tieren auch das Überleben in der Natur zu sichern.“ Die Wilhelma übernimmt mit ihrem Fachwissen die Auswahl der Projekte, die Spenden erhalten sollen, und begleitet deren Entwicklung über Jahre, um sicher zu gehen, dass das Geld gut angelegt ist. „Das gute Konzept und die Seriosität der Empfänger sind für unsere Spenderinnen und Spender genauso wichtig wie der Umstand, dass die Wilhelma keinen Verwaltungsaufwand berechnet, sondern jeden Euro eins zu eins weitergibt“, so Reska. „Diese Projekte funktionieren sehr gut, weil die Aktiven vor Ort ihre Lebensaufgabe darin sehen. Sie brennen so dafür, dass sie ihre ganze Kraft einsetzen und zum Teil auch Leib und Leben riskieren, wenn es darum geht Wilderern oder Milizen die Stirn zu bieten.“ Kontinuität ist wichtig. Im Kongo stattet die Wilhelma zum Beispiel seit 2012 die Spürhundestaffel der Wildhüter im Virunga-Nationalpark aus, wo sich seither die Population der letzten Berggorillas etwas erholt hat. 235.000 Euro konnte die Wilhelma dort bisher einbringen.

Doch selbst kleine Sprünge bringen Fortschritte. So nimmt sie jetzt ein kleineres Objekt auf: Der JambatoHarlequin-Frosch in Ecuador galt seit 1988 Jahrzehnte lang als ausgestorben, bis er 2016 in kleiner Zahl an geheimgehaltener Stelle wiederentdeckt wurde. „Sein Comeback bezuschussen wir gerne“, so Kölpin, „dem Aussterben im letzten Moment noch von der Schippe zu springen, ist einfach eine zu schöne Erfolgsmeldung.“

Koalition für die Artenvielfalt

Als erster Zoo und Botanischer Garten in Deutschland ist die Wilhelma Anfang des Jahres der globalen Koalition „Vereint für die Artenvielfalt“ beigetreten, welche die Europäische Kommission ins Leben gerufen hat. Hier schließen sich Fachinstitutionen wie auch Nationalparks, Forschungszentren, Wissenschafts- und Naturkundemuseen zusammen, um dem Erhalt der Natur im Vorfeld der UNO-Konferenz für Biodiversität 2021 eine stärkere Stimme zu geben. Im Zuge ihres Engagements will die Wilhelma die Öffentlichkeit über die Zusammenhänge der Ökosysteme, den notwendigen Schutz der Lebensräume und die Bedeutung des Klimaschutzes für den Erhalt der Artenvielfalt informieren.

Text: Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Foto: siehe Bildunterschrift
04.03.2021

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