Speyer

Erinnerung an die Reichspogromnacht

Stadt wird Mitglied im Förderverein der Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt

Stadtvorstand beim niederlegen und Gedenken an die Opfer der Pogromnacht in Speyer.
v.l.: Sandra Selg, Irmgard Münchweinmann, Bürgermeisterin Monika Kabs, Oberbürgermeisterin Stefanie Steiler

Aufgrund der coronabedingt weiterhin geltenden Einschränkungen kann die Gedenkstunde anlässlich des heutigen 9. Novembers, die die Stadt Speyer traditionell gemeinsam mit dem DGB Stadtverband Speyer, Region Vorder- und Südpfalz, durchführt, nicht wie geplant stattfinden. Um dennoch ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen, hat die Stadtspitze gemeinsam mit einigen Vertreter*innen des DGB heute in stillem Gedenken Kränze am jüdischen Mahnmal in der Hellergasse niedergelegt.

Inschrift der Opfer der Pogromnacht in Speyer und anschliessenden Deportation ins KZ nach Gurs.

„Leider verhindert die Corona-Pandemie, dass wir diesen traurigen Tag der deutschen Geschichte wie gewohnt begehen können. All jene, die den Opfern der Reichspogromnacht gedenken möchten, sind aber herzlich eingeladen, alleine zum Gedenkstein zu kommen, einen Moment innezuhalten und vielleicht eine Blume oder Grablicht dort zu lassen“, betont Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler. „Gedenkveranstaltungen wie diese sind wichtig, damit wir uns regelmäßig daran erinnern, dass solche Grausamkeiten nie wieder passieren dürfen. Niemand darf je wieder auf Merkmale wie Religion, Herkunft oder Hautfarbe reduziert werden. Die Nazis haben dafür gesorgt, dass die Menschen ihr Mitgefühl und ihre Menschlichkeit verloren haben – dies in Zukunft zu verhindern, ist unser aller Aufgabe“, so Seiler weiter.

Gedacht wird am 9. November der schrecklichen Vorkommnisse in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, der sogenannten „Reichspogromnacht“, als neben vielen anderen jüdischen Gotteshäusern deutschlandweit auch die ehemalige Speyerer Synagoge in der Hellergasse bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurde.

Die Menora vor der neuen Synagoge Beith Schalom in Speyer

Darüber hinaus hat die Stadtspitze den geschichtsträchtigen Tag genutzt, um seine Mitgliedschaft im „Förderverein Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt/W.“ zu erklären. Vorstandsvorsitzender Eberhard Dittus nahm deshalb ebenfalls am stillen Gedenken teil und verwies darauf, dass auch fünf junge Männer aus Speyer, die alle Mitglieder der Naturfreunde waren, im Schutzhaft- und Arbeitslager in der ehemaligen Turenne-Kaserne in Neustadt inhaftiert waren. Das Lager zählt zu den frühen Konzentrationslagern und diente dem verbrecherischen Nazi-Regime zur Einschüchterung ihrer politischen Gegner. Nahezu 500 Männer aus mehr als 80 Gemeinden in der Pfalz wurden hier wochenlang gefangen gehalten und misshandelt. Die Gedenkstätte erinnert an diese Männer und wurde als Geschichtswerkstatt und Museum ausgebaut. „Mit der Mitgliedschaft im Förderverein möchten wir als Stadt ein deutliches Zeichen setzen und den Menschen gedenken, die im Neustadter Lager unter menschenunwürdigen Bedingungen leiden mussten“, so die Oberbürgermeisterin.

Stadtverwaltung Speyer
11.11.2020

2. Stolpersteinverlegung in Speyer

Stolpersteine wider dem Vergessen

Seit Montag, 15.04.2019 liegen 23 weitere „Stolpersteine“ vor 6 Häusern in Speyer. Diese erinnern an die deportierten und ermordeten Juden aus Speyer, welche Opfer des NS Regimes wurden.

Von Daniel Kemmerich

Speyer – Am Montag hat die „Speyerer Stolpersteininitative“ weitere 23 „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig verlegen lassen. Vorangegangen ist eine Gedenkstunde in der neuen Synagoge Beith Schalom am Weidenberg.

Marina Nikiforova, Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, ermahnte, wie wichtig ein Erinnern an dieses dunkelste Kapitel deutscher Geschichte sei. Gerade in Zeiten wieder auflebenden Antisemitismus sei es wichtiger denn je, die Gräueltaten und ihre Opfer nicht zu vergessen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Geschichte wiederholt sondern müssen die Erinnerung wach halten. Kein Mensch ist jemals vergessen solang man seinen Namen nennt“.

Aus der Synagoge ging es vor das Haus „Im Frohsinn 1“, in dem die Familie Steigleiter bis zu ihrer Vertreibung wohnte. Tochter und Enkel von Henri Steigleiter sind bei der Stolpersteinverlegung mit dabei und legen Blumen nieder.

Livevideo von der Verlegung für Stolpersteine für Familie Scharff:

An der zweiten Verlegestelle an diesem Tag, Maximilianstraße 66, sind gleich 12 Angehörige der Familie Scharff dabei ,die dieses Haus bewohnt hatte. Nofretete „Nofi“ Katz trägt ein Gedicht auf deutsch vor, welches ihre Mutter Liesel Scharff  anlässlich eines Besuches von Speyer im Jahre 2000 geschrieben hat.

Video des Gedichts:

Anschließend legen sie und ihre Angehörigen ebenfalls Blumen nieder.

Direkt nebenan, bei  Maximilianstraße 64, geht die Stolpersteinverlegung weiter. Hier wohnte Familie Cahn bis zu ihrer Deportation und Ermordung. Irene Morgan, Alfred Cahns Lebensgefährtin bis zu seinem Tod 2016, ist mit ihrer Tochter extra aus den USA angereist, um diesen Moment miterleben zu können. Die Fünftklässler des Nikolaus-von-Weis Gymnasiums haben hierfür extra ein von Alfred Cahn geschriebenes Lied „Sind so kleine Bäumchen“ einstudiert und tragen es vor.

An allen Stationen der Stolpersteinverlegung tragen Schülerinnen und Schüler des Nikolaus-von-Weis und Edith-Stein-Gymnasiums die Lebensgeschichte der einzelnen Betroffenen vor. Oberstufenschülerin Julia Senger vom Edith-Stein-Gymnasium hat zusätzlich Familienporträts nach Foto-Vorlagen gemalt, die den Vertriebenen und Ermordeten ein Gesicht geben.

So verwundert es nicht, dass viele der Beteiligten und Umstehenden Tränen in den Augen haben und offen ihre Trauer zeigen. Spätestens als an der letzten Station, Maximilianstraße 47, dem ehemaligen Wohnhaus von Hans-Joachim Mayer, der heute in den USA lebende „Jack“ Mayer, das Kaddisch (jüdisches Totengebet) spricht ist auch der Letzte zutiefst betroffen.

Video jüdisches Totengebet:

Hinzu schildert er lebhaft die Eindrücke, die er als 7 jähriger Junge noch aus Speyer hat. Den schönen Zeiten, als seine Eltern ein Schuhgeschäft besessen haben und er in allen Läden gerne Süßigkeiten probieren durfte. Den Zeiten, als er und sein Bruder von anderen Schülern verfolgt und verprügelt wurde bis hin zu den Zeiten als Nationalsozialisten auf der Hauptstraße marschierten und überall der Hitlergruß gezeigt wurde. Zum Glück gelang ihm und seiner Familie 1938 die Flucht in die USA wo sie zwar von Null auf Starten mussten, aber wenigstens noch sich und ihr Leben hatten. Ein Schicksal, das 6 Millionen jüdische Mitbürger nicht mehr erleben durften.

Und so ist es umso trauriger, dass wir bei der Teilnahme an der Verlegung der Stolpersteine 5 Menschen unterschiedlichen Alters erklären mussten, was Stolpersteine überhaupt sind und wofür diese dienen.  Bleibt nur zu hoffen, dass sich einige Menschen mehr fragen, was es mit diesen Steinen auf sich hat und vor allem, wie es dazu überhaupt kommen konnte.

Sehen Sie hier das umfassende Fotoalbum zur 2. Stolpersteinverlegung:

Text, Foto & Video: Speyer 24/7 News, dak Lektorin: Speyer 24/7 News, ank 17.04.2019