Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart

Unterstützung in schwerer Zeit – MOHR SOLUTIONS übernimmt Patenschaft für Seelöwin

Tier- und Pflanzenpatenschaften boomen in der Wilhelma

Sascha Mohr, Geschäftsführer von MOHR SOLUTIONS (links), präsentiert die Patenschaftsurkunde, die ihm Wilhelma-Direktor Dr. Thomas Kölpin überreicht hat.
Foto: Wilhelma Stuttgart

In den auch für die Wilhelma schweren Coronazeiten unterstützen immer mehr Menschen den ZoologischBotanischen Garten in Stuttgart, indem sie Patenschaften für Tiere oder Pflanzen übernehmen. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Patinnen und Paten von 566 um fast ein Drittel auf 747 gestiegen. Insbesondere während der achtwöchigen Schließung im Frühjahr zogen die Zahlen an. „Das ist ein klares Zeichen, dass die Menschen die Wilhelma nicht nur als Freizeiteinrichtung wahrnehmen, sondern in ihrer Arbeit für den Artenschutz und die Umweltbildung erhalten und fördern wollen“, sagte Direktor Dr. Thomas Kölpin am diesjährigen Patentag, 9. Oktober 2020. „Mit diesen Spenden können wir natürlich nicht die entstandenen Millionenlöcher stopfen, aber es ist ein spürbarer Rückenwind in der Einnahmeflaute“, so Kölpin. „Jeder Beitrag hilft uns, mehr für die Weiterentwicklung der Anlagen zu tun, als es uns sonst möglich wäre. Mein Dank für die nicht zuletzt auch moralische Unterstützung geht an alle, die sich auf diese Weise mit der Wilhelma identifizieren.“ Als neuestes Tier hat die Seelöwin Heaven jetzt mit der Göppinger Firma MOHR SOLUTIONS INGENIEURE eine Patin gefunden.

Wilhelma-Direktor Dr. Thomas Kölpin (links) und Sascha Mohr, Geschäftsführer von MOHR SOLUTIONS, am sanierten Seelöwenbecken. Tierpflegerin Stefanie Waibel trainiert mit dem Weibchen Heaven, neuerdings Patentier von MOHR SOLUTIONS.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Üblicherweise sind alle Gönnerinnen und Gönner am jährlichen Patentag zu einem Rundgang durch das Revier ihrer jeweiligen Patentiere eingeladen, wo die Pflegerinnen und Pfleger aus dem Alltag erzählen. Diesmal mussten sie angesichts der Zahl der Personen aus Infektionsschutzgründen die Wilhelma auf eigene Faust erkunden. Und den üblichen Bericht des Direktors gab es für sie daher schriftlich. Er zog eine positive Bilanz: Durch die Patenschaften kamen in den vergangenen zwölf Monaten 145.500 Euro zusammen gegenüber 105.000 Euro im Vergleichszeitraum zuvor. Die Einzelbeträge sind ganz unterschiedlich: von 50 Euro für eine Fledermaus bis zu 4000 Euro für einen Gorilla. Die Top Drei unter den Publikumslieblingen sind derzeit die Erdmännchen mit 116 Patenschaften, die Brillenpinguine (37) und die Schneeeulen (27). „Die Spenden setzen wir nicht für die speziellen Tiere ein, wir füttern ohnehin alle ausreichend und artgerecht“, sagt der Direktor, „am Futter für unsere 11.000 Schützlinge müssen wir trotz der Mindereinnahmen nicht sparen. Das Geld aus den Patenschaften verschwindet aber auch nicht bei den laufenden Betriebskosten, sondern fließt in Projekte, die sonst nicht in der Form umzusetzen wären.“

Die Seelöwen-Weibchen Evi und Heaven buhlen um die Aufmerksamkeit von Tierpflegerin Stefanie Waibel mit dem Futtereimer.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Ein Teil ging in die Optimierung der Schneeleoparden-Anlage, die 2018 eröffnet wurde. Die Tiere fühlen sich da so wohl, dass das Zuchtpaar bereits zwei Jungtiere erfolgreich aufgezogen hat. Außerdem konnte dank der Spenden das Seelöwen-Becken bei seiner Sanierung einige Extras erhalten. Es wurde teilweise deutlich vertieft und die Innengehege konnten runderneuert werden. Für die Robben ist auch die neueste Patenschaft in der Wilhelma zu verzeichnen. Das Göppinger Ingenieurbüro MOHR SOLUTIONS hat sich für die Seelöwin Heaven entschieden. Bei privaten Patenschaften stehen oft persönliche Verbindungen im Vordergrund, bei Firmenpatenschaften sind es eher berufliche Anknüpfungspunkte. In diesem Fall ist es eine Kombination aus beidem, denn der geschäftsführende Gesellschafter ist ein Dauerkarten-Besitzer und leidenschaftlicher Tierfotograf, der zum Beispiel regelmäßig in aller Frühe stundenlang an der Rems ausharrt, um dort die Eisvögel im Flug abzulichten. „Ich wollte gerne die Wilhelma unterstützen und habe nach einem passenden Patentier gesucht“, erklärt Sascha Mohr. „Unser Büro plant und realisiert Heizungs-, Lüftungs- und Sanitäranlagen, deshalb passt eine Tierart sehr gut, die ebenso die Elemente Wasser und Luft verbindet. Außerdem sind die Kalifornischen Seelöwen tolle Tiere, die oft nicht dieselbe Beachtung finden wie Elefanten, Giraffen oder Raubkatzen. Deshalb soll ihnen mit unserer Patenschaft etwas mehr Aufmerksamkeit zukommen.“ Auf die junge Heaven ist dann die Wahl gefallen, weil der Neuzugang aus dem Tiergarten Nürnberg im selben Monat geboren wurde wie Mohrs kleine Tochter.

Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart
10.10.2020

Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart

Umbesetzung in lebhafter Tiergemeinschaft im Amazonienhaus

Mit neuem Weißkopfsaki kehrt Frieden in Südamerika-WG ein

Der neue Weißkopfsaki der Wilhelma in Stuttgart, „Milow“, ist ein sanftmütiger Geselle, der Möhren und Nüsse mag. Die Tiergemeinschaft im Amazonienhaus mit Goldkopflöwenaffen, Faultieren und Schildkröten funktioniert mit ihm als Chef gut.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Stuttgart – In einer der lebhaftesten Tiergemeinschaften der Wilhelma in Stuttgart ist Harmonie eingekehrt. Nach einer Umbesetzung leben im Amazonienhaus des Zoologisch-Botanischen Gartens in der „Südamerika-WG“ die verschiedensten Arten neuerdings friedlich zusammen: Weißkopfsakis, Faultiere, Goldkopflöwenäffchen und Waldschildkröten. Zumindest so friedlich, wie es in der Tierwelt zugehen kann: Wenn es um die sonnigsten Plätze und die leckersten Bissen geht, wird durchaus schon einmal geschimpft und gedroht, aber nicht gebissen. Neuer Chef in dem Gemeinschaftsgehege ist der Weißkopfsaki Milow. Er kam im Juli aus dem Zoo von Drayton Manor Park in der Nähe der englischen Metropole Birmingham. Inzwischen hat er sich gut eingewöhnt und füllt seine Rolle sanftmütiger aus als sein Vorgänger Diego, den die Wilhelma derweil an den Karlsruher Zoo abgegeben hat.

Der neue Weißkopfsaki der Wilhelma in Stuttgart, „Milow“, ist ein sanftmütiger Geselle, der Möhren und Nüsse mag. Die Tiergemeinschaft im Amazonienhaus mit Goldkopflöwenaffen, Faultieren und Schildkröten funktioniert mit ihm als Chef gut.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Zuvor war es immer wieder einmal rauer zugegangen. Diego hatte sich mit den Goldkopflöwenaffen angelegt. Außerdem durfte er nicht länger bei seinen inzwischen erwachsenen Töchtern Riane und Paulina bleiben, um Inzucht zu vermeiden. Und deren Mutter Icana hatte einen zunehmend schweren Stand bei den beiden. In dem für Sakis stolzen Alter von fast 30 Jahren darf sie nun ihr Altenteil in einem eigenen Gehege in Ruhe hinter den Kulissen verbringen. Als Seniorin springt sie nur noch ungerne und ist nicht mehr behände genug unterwegs, um sich den Kabbeleien mit ihrem sieben und acht Jahre alten Nachwuchs zu entziehen.

Bei Weißkopfsakis, hier in der Wilhelma in Stuttgart, trägt nur das Männchen (links) das typisch weiße Fell am Kopf. Das Weibchen hat lediglich weiße Linien von den Augen bis zum Mundwinkel.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Gesucht wurde deswegen mit Hilfe des Koordinators des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) der Zoos ein Saki-Mann, der genetisch zu Riane und Paulina passt und zudem bereits Erfahrung im Umgang mit Goldkopflöwenaffen haben sollte. Deshalb fiel die Wahl auf Milow. Übergriffig wird der Elfjährige nur, wenn er den Faultieren die Kartoffeln als Lieblingsspeise stibitzt. Aber die lassen das meist geduldig über sich ergehen. Dabei bekommen die Affen fünf Mahlzeiten am Tag: vor allem Gemüse, wie Karotten, Fenchel oder Sellerie, und nur etwas Obst, um die Zähne vor dem Fruchtzucker zu schonen. Papaya und Trauben nehmen sie gerne und lieben dazu ein paar Walnüsse. Eiweiß für die ausgewogene Ernährung erhalten sie über Grillen und Heuschrecken. In der Natur leben die Weißkopfsakis in den Regen- und Gebirgswäldern im Nordosten Südamerikas, zum Beispiel in Venezuela, Guayana und Teilen Brasiliens. Dort bewohnen sie die Kronen der Bäume, zwischen denen sie mit mächtigen Sprüngen wechseln. Mit einem Satz können die Sakis an die zehn Meter überbrücken.

Bei Weißkopfsakis, hier in der Wilhelma in Stuttgart, haben die Weibchen kein weißes Fell im Gesicht, sondern nur zwei weiße Linien von den Augen bis zum Mund.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Einen knappen halben Meter messen die Sakis, der buschige Schwanz ist noch einmal so lang. Ihr Gewicht beträgt anderthalb bis zwei Kilo. Die Männchen sind leicht zu erkennen: Nur sie tragen zu ihrem vorwiegend schwarzen Fell das typisch markante weiße Gesicht. Weibchen haben dagegen ein schwarzgraues Haarkleid mit bräunlichem Bauch und nur zwei weißen Linien am Kopf von den Augen bis zum Mund.

Das Gehege in der Wilhelma in Stuttgart teilen sich die Weißkopfsakis (rechts) unter anderem mit Goldkopflöwenaffen.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart
07.10.2020

Wilhelma Stuttgart

Hoffnungsträger für stark bedrohte Art

Zuchterfolg im Doppelpack: Jungtiere bei den Säbelantilopen

Bereits zum dritten Mal gab es zweifachen Nachwuchs bei den Säbelantilopen. Seit kurzem sind die Jungtiere gemeinsam mit Grévy-Zebras und Dorcas-Gazellen auf der Außenanalage unterwegs.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Entspannt auf dem warmen Sandboden liegen und gemeinsam im Galopp herumtoben: Seit dieser Woche zeigen sich die beiden kleinen Säbelantilopen, die im Juli und August in der Wilhelma in Stuttgart zur Welt kamen, auf der Außenanlage. Gut behütet von ihren Müttern Isis und Mahedi wachsen die jungen Kühe im Zoologisch-Botanischen Garten zu stattlichen Hornträgern heran. Diese Möglichkeit war ihren wildlebenden Artgenossen in der Vergangenheit nicht vergönnt. Denn die Säbelantilopen gelten seit dem Jahr 2000 in der Natur als ausgestorben.

Die großen Herden, die einst die Randgebiete der Sahara und die Sahelzone bevölkerten, fielen im Lauf des 20. Jahrhunderts nach und nach dem Menschen zum Opfer. Fleisch und Fell dieser Oryx-Antilopen waren begehrt und die beeindruckenden Hörner als Trophäen beliebt: Bis zu 1,20 Meter misst der säbelartig gebogene Stirnschmuck bei ausgewachsenen Tieren. Zu Wilderei kamen außerdem längere Dürreperioden, Bürgerkrieg und Lebensraumverlust durch die zunehmende Viehhaltung von Schafen und Ziegen. Nur weil es auch einen kleinen Oryx-Bestand in Zoos gab, konnte die Art überleben und ihre Population in menschlicher Obhut wieder anwachsen. Einige Säbelantilopen wurden sogar in ihren früheren Heimatgebieten im Tschad wieder angesiedelt. Auch der Zoologisch-Botanische Garten ist mit seiner kleinen Herde Teil des Erhaltungszuchtprogramms der Europäischen Zoos – und das mit Erfolg. Denn Isis und Mahedi leben erst seit 2016 in der Wilhelma, hatten nun aber bereits zum dritten Mal Nachwuchs.

Zu einer gelungenen Aufzucht gehört dabei auch immer eine gute Planung. Einmal im Jahr steht für die beiden Damen ein Besuch bei Säbelantilopen-Bock Amadi an. Er lebt auf dem Tennhof, der nicht öffentlichen Außenstelle der Wilhelma. „Immer im Herbst bringen wir die beiden Kühe für einige Wochen zu unserem Bock“, berichtet Revierleiter Daniel Wenning. „Wenn er erfolgreich deckt, kommt der Nachwuchs nach etwa acht Monaten im Frühjahr oder Sommer zur Welt. Dann haben die Weibchen ausreichend frisches Grünfutter und für die Kleinen sind die Temperaturen angenehm.“

Die erste Zeit nach der Geburt verbringen die Tiere aber erst einmal im rückwärtigen Bereich. Denn als Ablieger bleiben die Neugeborenen zunächst an einem geschützten Ort und folgen erst nach etwa vier Wochen der Herde. Sobald die Kleinen flink auf den Hufen sind, werden sie schrittweise mit den anderen Savannenbewohnern zusammengeführt. „Die Antilopen kommen anfangs alleine ins Außengehege, damit die Kälber die Verstecke kennenlernen“, erzählt Daniel Wenning. „Unsere Grévy-Zebras scheuchen den Nachwuchs schon mal über die Anlage. Dann müssen die Jungtiere wissen, wohin sie sich zurückziehen können.“ Die umsichtige Vorbereitung hat sich ausgezahlt, denn wie in den Jahren zuvor lief die Vergesellschaftung mit den erfahrenen Zebrastuten und den DorcasGazellen sehr gut. So können die beiden jungen Säbelantilopen nun jeden Tag beim Sonnenbaden und Heranwachsen beobachtet werden.

Text: Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Foto: Wilhelma Stuttgart
28.09.2020

Elise Berger: „Mein Leben mit Alwin Berger“

Buch über den vergessenen Leiter der Wilhelma vorgestellt

Familie Berger in der Wilhelma: Alwin Berger (rechts) und seine Frau Elise mit ihren beiden Kindern.
Archivfoto: Alwin-Berger-Archiv Möschlitz

Nicht alle Kapitel der langen Wilhelma-Geschichte sind heute so bekannt wie die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei genauerer Betrachtung tun sich erstaunliche Lücken auf. So wird der letzte Hofgartendirektor des Königshauses Württemberg mit fast keinem Wort in den Geschichtsbüchern über den ZoologischBotanischen Garten Stuttgart genannt. Obwohl Alwin Berger ein international anerkannter Botaniker und vor allem Experte für Kakteen und Sukkulenten war, taucht er in der Liste der Leiter der Wilhelma bis heute nicht auf. Mit dem Erscheinen der Lebensgeschichte Alwin Bergers im Eugen Ulmer Verlag kann zumindest teilweise eine Lücke in der Wilhelma-Historie geschlossen werden.

Die Buchpräsentation übernahmen (von links) Wilhelma-Direktor Dr. Thomas Kölpin, Herausgeber Rainer Redies und Volker Hühn, Programmleiter beim Eugen Ulmer Verlag.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Berger, 1871 im thüringischen Möschlitz (heute zu Schleiz gehörig) geboren, arbeitete sich rasch vom Gärtner zu einem angesehenen Botaniker auf. Nach Lehr- und Wanderjahren in Botanischen Gärten zwischen Dresden und Frankfurt, Freiburg und Greifswald folgte die Berufung an den Hanbury-Garten La Mortola in Italien. Seinen Dienst für den König von Württemberg trat er 1915 an und war ab diesem Zeitpunkt auch für die Geschicke der Wilhelma verantwortlich. Nach dem Ersten Weltkrieg war er es, der die Idee eines Botanischen Gartens in den Mauern der Wilhelma öffentlich machte. Leider gab es im damals zuständigen Finanzministerium des Landes Württemberg einen erbitterten Widersacher, der Berger das Leben schwer machte. Der Botaniker wurde degradiert und gab 1922 auf. Er legte sein Amt nieder und arbeitete von nun an in den USA, wo er allerdings nicht glücklich wurde. Einem Ruf ans württembergische Naturalienkabinett, dem heutigen Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart, folgte er daher und baute dort die botanische Sammlung aus. Hier war er auch bis zu seinem Tod 1931 tätig.

Die Spuren Alwin Bergers finden sich noch heute in der Wilhelma. Das Kakteenhaus, welches direkt am Haupteingang zu finden ist, wurde von ihm maßgeblich gestaltet. Durch seine hervorragenden Kontakte zu vielen Botanischen Gärten konnte der Pflanzenbestand des Königsgartens durch viele seltene Exemplare erweitert werden.

Das Buch „Mein Leben mit Alwin Berger“ erzählt die Lebensgeschichte des ehemaligen Wilhelma-Leiters.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Die Aufzeichnungen, die seine Frau Elise Berger für ihre Kinder handschriftlich und anekdotenreich festgehalten hat, waren lange Zeit im Familienbesitz. Dank des Entgegenkommens des Alwin-Berger-Archivs und der Recherchen von Rainer Redies gelangten sie an die Öffentlichkeit. Sie geben Einblick in eine erstaunliche Karriere und zeigen Alwin Berger zudem als Genie freundschaftlicher und kollegialer Beziehungspflege. Von seinem überreichen Arbeitsleben zeugen nicht zuletzt weit über 700 erst beschriebene Pflanzenarten und rund 300 Publikationen. Elise Berger lebte nach dem Tod ihres Mannes weiterhin in Bad Cannstatt, war aber als Jüdin den Repressalien und Schikanen des Nazi-Regimes ausgesetzt und wurde 1944 nach Theresienstadt deportiert, wo sie kurze Zeit später verstarb. Heute erinnert ein Stolperstein vor dem Haus in der Heidelberger Straße 44 an Frau Berger.

Text: Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Foto: Wilhelma Stuttgart
28.09.2020

10 Jahre Schmetterlingsschutz in Stuttgart

UN-Dekade zur Biologischen Vielfalt: BUND und Wilhelma erhalten Auszeichnung

Die Auszeichnung für das Schmetterlingsprojekt übergab Insektenkundler Prof. Dr. Lars Krogmann an Jutta Schneider-Rapp und Dr. Thomas Kölpin.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Bunte Inseln statt grüne Wüsten. Seit zehn Jahren engagieren sich der BUND-Kreisverband Stuttgart und die Wilhelma für den Schmetterlingsschutz. Zusammen schaffen sie auf mittlerweile 13 ausgewählten Wiesen in Stuttgart bunte Oasen für Schmetterlinge. Das Engagement und der Einsatz zahlen sich aus. Passend zum zehnjährigen Jubiläum wurden BUND und Wilhelma am Montag (21.9.) im Rahmen der UN-Dekade zur Biologischen Vielfalt ausgezeichnet. Damit bekommt der Schutz von Schmetterlingen und mit ihnen von vielen anderen Tieren und Pflanzen besonderes Gewicht. Zudem wurde der Einsatz von Ehrenamtlichen Schmetterlings-Kartierer*innen und den Wilhelma-Gärtner*innen gewürdigt.

„Blühende Wiesen in Großstädten sind wahre Oasen für viele Insekten“, betonte deswegen auch Prof. Dr. Lars Krogmann, Entomologe des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart, in seiner Laudatio. „Der Schwund der Vielfalt und vor allem der Anzahl an Insekten hat mittlerweile besorgniserregende Ausmaße angenommen. Deswegen ist es wichtig, dass Schmetterlinge gezielt unterstützt werden.“ Im Zentrum der Schutzmaßnahmen steht die besondere Pflege von ausgewählten Flächen. So werden mittlerweile 13 Stücke mit insgesamt fast sechs Hektar insektenfreundlich bewirtschaftet. Dazu gehört, dass sie nur noch maximal zweimal im Jahr gemäht werden. Zudem wurden an ausgewählten Stellen Wildkräuter gezielt angesät. Neben Schwalbenschwanz, Kleinem Fuchs und Admiral profitieren auch viele andere Insekten von diesen Maßnahmen. „Wir zeichnen verantwortlich für die Grünpflege aller Flächen, die dem Land BadenWürttemberg in Stuttgart gehören. An der Grabkappelle, im Rosensteinpark oder in der Wilhelma selbst zeigen wir, was eine insektenfreundliche Pflege auszeichnet“, berichtete Dr. Thomas Kölpin, Direktor der Wilhelma. „Damit kommen wir unserem Auftrag als Artenschutzinstitution auch bei uns vor der Haustür nach. Nicht nur Nashorn und Gorilla sind bedroht, sondern auch den Insekten in unseren Breiten geht es schlecht. Und hier zeigen wir gemeinsam, wie erfolgreicher Naturschutz funktioniert“, so Kölpin weiter.

„Trotz Parks, Grünstreifen oder Gärten gibt es für Schmetterlinge, Bienen und andere Insekten viel zu wenig geeignete Lebensräume in der Stadt“, sagte Berthold Frieß, Mitinitiator des Kooperationsprojekts und ehemaliger Landesgeschäftsführer des BUND Baden-Württemberg. „Als vor zehn Jahren der Startschuss für das Kooperationsprojekt fiel, wollten wir Lösungen anbieten und ganz konkret aufzeigen, wie naturnahe und insektenfreundliche Grünflächenpflege aussehen kann. Inzwischen gibt es 13 Schmetterlingswiesen in Stuttgart. Die Kooperation von Wilhelma und BUND und die Zusammenarbeit zwischen der Parkpflege der Wilhelma und den BUND-Ehrenamtlichen haben sich ausgezahlt. Auf den Wiesen summt und brummt es wieder.“ Seit Projektstart vor zehn Jahren haben die ehrenamtlichen BUND-Kartierer*innen 52 verschiedene Falter gezählt. Die Artenvielfalt auf den so gepflegten Flächen ist somit deutlich größer als auf Vergleichsflächen, bei denen die Nutzung nicht angepasst wurde. Das zeigt: Die naturnahe Wiesenpflege zahlt sich für die Artenvielfalt auf Stuttgarts Wiesen aus. Mit Himmelblauer-Bläuling und MalvenDickkopffalter leben hier auch zwei Falter, die in Baden-Württemberg gefährdet sind. Der Segelfalter ist im Südwesten sogar stark gefährdet.

„Dass sich die Zusammenarbeit so gut entwickelt hat, stimmt mich zuversichtlich und freut mich sehr. Es ist großartig, dass immer mehr Wiesen seit Projektstart hinzugekommen sind. Auch, dass sich das Kooperationsprojekt zu einer dauerhaften Zusammenarbeit mit Aktiven und tollen Umweltbildungsprojekten mit Schmetterlingsspaziergängen und Seminaren für alle Bürger*innen gemausert hat“, so der ehemalige BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß.

Herz und Hand des Schmetterlingsprojektes sind der Fachbereich Parkpflege der Wilhelma, der das naturnahe Pflegekonzept umsetzt, und die BUND-Aktiven. Freiwillige Kartierer*innen beobachten alle zwei Wochen im Sommerhalbjahr die Falter auf den Schmetterlingswiesen, so wie Jutta Schneider-Rapp. Mit sieben weiteren Aktiven beobachtet, zählt und dokumentiert sie Schmetterlinge. „Wir laufen immer denselben, 200 Meter langen Zickzack-Kurs durch die Wiese und schauen links und rechts nach Faltern. Der BUND Stuttgart freut sich sehr über die Auszeichnung. Wir hoffen, dass BUND und Wilhelma ihre fruchtbare Kooperation weiter ausbauen. Außerdem wünschen wir uns mehr Grün in der Stadt und naturnahe Privatgärten: viel mehr Blüten, wilde Ecken für Schmetterlinge und andere Insekten“, sagte die 56-Jährige. „Möge uns die UN-Dekade beflügeln.“

Informationen zur UN-Dekade Biologische Vielfalt

Die Vereinten Nationen haben den Zeitraum von 2011 bis 2020 als UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgerufen, um dem weltweiten Rückgang der Naturvielfalt entgegenzuwirken. Ein breit verankertes Bewusstsein in unserer Gesellschaft für den großen Wert der Biodiversität ist eine wichtige Voraussetzung. Die UN-Dekade Biologische Vielfalt in Deutschland lenkt mit der Auszeichnung vorbildlicher Projekte den Blick auf den Wert der Naturvielfalt und die Chancen, die sie uns bietet. Gleichzeitig zeigen diese Modellprojekte, wie konkrete Maßnahmen zum Erhalt biologischer Vielfalt, ihrer nachhaltigen Nutzung oder der Vermittlung praktisch aussehen können.

Der Begriff „biologische Vielfalt“ umfasst die Vielzahl der Tier- und Pflanzenarten sowie die Vielfalt der Mikroorganismen und Pilze. Einbezogen wird auch die genetische Vielfalt innerhalb der Arten, die sich bei Pflanzen in den verschiedenen Sorten und bei Tieren in den Rassen wiederspiegelt. Aber auch die verschiedenen Lebensräume und komplexen ökologische Wechselwirkungen sind Teil der biologischen Vielfalt. Die Biodiversität ist Voraussetzung für die Funktion der Ökosysteme mit ihren verschiedenen Ökosystemleistungen.

Text: Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Foto: Wilhelma Stuttgart
28.09.2020

Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart

Sonderausstellung im Wintergarten

Einblick in die Welt der Chilis: Scharfe Früchte unter Palmen

Chili-Schau im Zoologisch-Botanischen Garten: Wilhelma-Gärtner Jonathan Bartocha mit der Sorte „Tabasco“, nach der auch die bekannte Sauce benannt ist.

Ob als feurige Note im süßen Kakao oder belebendes Aroma im knackigen Salat: Als Gewürz ist der Chili in der Küche ein beliebter Begleiter für zahlreiche Gerichte. Dass die bunten Früchte aber auch mit Formenund Farbenreichtum beeindrucken können, beweist die aktuelle Sonderschau der Wilhelma in Stuttgart. Glockenförmig oder erbsengroß, von Schneeweiß bis Schokoladenbraun präsentieren sich die etwa 100 verschiedenen Arten und Sorten zwischen Palmen und Moosfarn im historischen Wintergarten.

Chilis unter Palmen: Bis Mitte Oktober zeigt die Wilhelma 100 Arten und Sorten im historischen Wintergarten.

Dabei können nicht alle Vertreter dieser Nachtschattengewächse mit einem pikanten Geschmackserlebnis aufwarten. Denn wie der Schärferekordhalter „Carolina Reaper“ gehört auch die süßliche Gemüsepaprika zu der Pflanzengattung Capsicum. Deren Wildformen stammen aus Süd- und Mittelamerika und besitzen kleine, nach oben gerichtete Früchte, die kaum von Laub verdeckt werden. Dadurch landen die Chilis gezielt in Vogelmägen, die Samen werden ausgeschieden und somit weiter verbreitet. Erst durch sorgfältige Auswahl und Kreuzung entstand die heutige Varianz der Chilis, die sich vor allem in Größe und Gewicht, Farbenspektrum und Schärfegraf der Früchte zeigt. Während die bekannte Sorte „Tabasco“ beispielsweise mit tiefroten, länglichen Schoten glänzt, entwickeln sich aus den Blüten der „Nu Mex Centennial“ runde, lilafarbene Beeren, die sich erst während der Reife über Gelb und Orange zu Rot färben. Durch eine charakteristisch gefurchte Tropfenform zeichnet sich dagegen die „Habanero“ aus, die gleich in unterschiedlichen Schattierungen von Sattgrün bis Senfbraun vorkommt.

Chili-Schau in der Stuttgarter Wilhelma: Bei dem Zierchili „Nu Mex Centennial“ nehmen Früchte je nach Reifegrad einen anderen Farbton an.

Um diese Exoten jeden Spätsommer in ihrer ganzen Vielfalt zeigen zu können, beginnen die Vorbereitungen im Zoologisch-Botanischen Garten in Stuttgart schon am Jahresanfang. Bereits Ende Januar werden die ersten Sorten ausgesät und hinter den Kulissen im geschützten Gewächshaus zu Jungpflanzen herangezogen. Capsicum liebt warme Temperaturen um 20 Grad und muss gleichmäßig feucht gehalten werden. Anfang Mai geht es für die Gewächse dann langsam nach draußen in die Sonne, damit sie unter intensivem UV-Licht größer und kräftiger werden können. Je nach Sorte bilden die Chilis ab Juni die ersten Früchte aus und zeigen sich somit pünktlich zum Umzug in den Wintergarten in voller Pracht.

Chili-Schau in der Stuttgarter Wilhelma: Zu den schärfsten Sorten gehört die „Habanero“, die es in ganz unterschiedlichen Farbschlägen gibt

Was für die kundigen Gärtnerinnen und Gärtner eigentlich Routine ist, geriet diesmal allerdings zu einer kleinen Herausforderung. Denn im vergangenen Jahr hatte sich gezeigt, dass die bisherige Chili-Sammlung von einer Viruserkrankung befallen war. Wie auch bei Menschen und Tieren können Viren lange unerkannt in Pflanzen schlummern, ohne dass äußere Anzeichen zu sehen sind. Kommt es dann zum Ausbruch, weil die Gewächse schwächeln, sind sie meist nicht mehr zu retten. Da eine Übertragung über das Saatgut, das von befallenen Chilis stammt, nicht ausgeschlossen werden kann, mussten die Bestände komplett neu aufgebaut werden. Die Samen dafür kommen im Tausch von anderen botanischen Gärten oder werden zugekauft. Diese Mühe hat sich gelohnt: Etwa 300 Pflanzen konnten erfolgreich aufgezogen werden, die nun die Basis für die nächste Generation Wilhelma-Chilis bilden.

Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart
17.09.2020

Wasserscheue Gänse mit eigenwilligen Brutzeiten

Kinderstube bei den australischen Hühnergänsen

Fünf Küken ziehen die australischen Hühnergänse der Wilhelma in Stuttgart in diesem Jahr auf.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Aufgeregtes Geschnatter schallt derzeit regelmäßig über die Australien-Anlage der Wilhelma in Stuttgart: Vor nicht einmal zwei Wochen sind fünf junge Hühnergänse geschlüpft. Begleitet von ihren wachsamen Eltern durfte die kleine Gänseschar in dieser Woche ihren Stall verlassen und lässt sich nun täglich bei ihren Ausflügen ins Grüne beobachten.

Nachwuchs bei den Hühnergänsen in der Stuttgarter Wilhelma: Typisch für diese Art ist die schwarzweiße Zeichnung des Dunenkleides.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Die Zucht dieser Entenvögel ist im Zoologisch-Botanischen Garten bereits mehrfach gelungen. Mit dem Spätsommer hat das Paar in diesem Jahr allerdings einen ungewöhnlichen Zeitpunkt für ihre Kinderstube gewählt, denn die Hühnergänse sind eigentlich Winterbrüter. Ihre Heimat liegt im Süden Australiens und auf der Insel Tasmanien, wo sie an Küstenstreifen und auf kleinen Eilanden leben. Dort legen die Hühnergänse ihre Eier im Mai ab, wenn sich auf der Südhalbkugel der Winter ankündigt. „Für die Tiere ist dabei die Länge des Tageslichts ausschlaggebend“, erklärt Revierleiter Mario Rehmann. „Erst wenn diese unter acht Stunden liegt, beginnt die Brutsaison. Aufgrund der Niederschläge wächst dann das Gras am stärksten, das für die Vögel die wichtigste Nahrungsquelle ist.“ An diesem natürlichen Rhythmus orientieren sich die Hühnergänse auch, wenn sie in unseren Breitengraden gehalten werden und widmen sich in der Regel erst ab Oktober der Jungtieraufzucht. Weil das winterliche Futterangebot auf der Wilhelma-Anlage eher karg ausfällt, bekommen die Küken in dieser Zeit gekeimten Weizen zugefüttert und sind im beheizten Innengehege untergebracht. Aktuell fühlt sich die Gänsefamilie in der milden Spätsommersonne aber auch draußen gut aufgehoben, während regelmäßige Niederschläge für ausreichend Grün auf der Wiesenfläche sorgen.

Nachwuchs bei den Hühnergänsen in der Stuttgarter Wilhelma: Typisch für diese Art ist die schwarzweiße Zeichnung des Dunenkleides.
Foto: Wilhelma Stuttgart

Wasser hat dagegen für die Hühnergänse im Gegensatz zu vielen ihrer Verwandten nur wenig Anziehungskraft. Mit ihren reduzierten Schwimmhäuten und langen Krallen sind sie auf ein Leben auf festem Grund angepasst und ziehen sich nur bei Gefahr in Gewässer zurück. Für ihr Gelege suchen sich die Vögel von hohen Gräsern oder Büschen geschützte Bereiche, das Nest bauen Gans und Ganter gemeinsam. Ist das erste Ei gelegt, verlässt das Weibchen den Brutplatz für die fünf Wochen bis zu Schlupf kaum noch, während das Männchen benachbarte Artgenossen und Eindringlinge mit angehobenen Flügeln und durchdringenden Rufen auf Abstand hält. Denn sowohl die Eier als auch die Jungtiere sind für Räuber leichte Beute. Während in Australien Möwen oder verwilderte Hauskatzen Jagd auf die jungen Gänse machen, können in der Wilhelma Krähen oder Füchse zu einer Gefahr für die Küken werden. Auch die friedlichen Roten Riesenkängurus, die sich die Anlage mit den Hühnergänsen teilen, müssen daher im Moment mit der einen oder anderen Attacke leben, wenn sie sich zu nah an die Schützlinge des Pärchens heranwagen. Schon in zwei bis drei Monaten wird sich die Wachsamkeit der Gänseeltern ausgezahlt haben. In dieser Zeit legen die Küken langsam ihr flauschiges, schwarzweiß gestreiftes Dunengefieder ab und wachsen zu stattlichen, hellgrauen Jungvögeln heran.

Fünf Küken ziehen die australischen Hühnergänse der Wilhelma in Stuttgart in diesem Jahr auf.
Foto: Wilhelma Stuttgart

In ihrer Heimat wurden die Hühnergänse als Konkurrenten zu Weidetieren stark bejagt, durch Lebensraumvernichtung fanden sie zudem immer weniger Brutplätze. Um 1960 stand die Art sogar kurz vor der Ausrottung. Seitdem stehen die Vögel unter Schutz, so dass sich die Bestände inzwischen erholt haben.

Wilhelma – Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart
17.09.2020