Leserbrief

Gedanken und Gefühle einer Gastronomin

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich wende mich voller Empörung, Wut und Verzweiflung an Sie,

wie Sie sich sicherlich denken können hat die Corona Pandemie mich und so viele andere kleine Betriebe und Soloselbstständige in enorme Nöte und in finanzielle Engpässe gebracht. Ich möchte Ihnen meine Situation vorab erst einmal etwas näher bringen damit Sie mein Anliegen vielleicht ein bisschen besser nachvollziehen können.

Ich habe mich im Juli 2019 dazu entschieden mich mit einer kleinen, aber sehr feinen Schankwirtschaft im schönen Speyer in Rheinland- Pfalz selbstständig zu machen, in dem ich davor schon jahrelang als Aushilfe und später dann als Festangestellte gearbeitet habe. Ich habe an diese Kneipe mein Herz verloren und betreibe sie daher mit sehr viel Herzblut und Leidenschaft.

Der Schritt mich in die Selbstständigkeit zu begeben fiel mir daher trotz aller Risiken nicht sonderlich schwer. Das ich mit meiner Kneipe nicht reich werde war mir und meiner Familie klar, alles was ich wollte war meinen großen Traum, selbstständig zu sein erfüllen. Es lief außerordentlich gut, besser als ich erwartet hatte.

Dann kam im März die Corona Pandemie und ich musste meinen Laden erst einmal schließen. Lange Zeit wusste niemand ob und wie die kleinen Betriebe und Soloselbstständigen unterstützt werden. Dann kam die Corona Soforthilfe, die für die angefallenen Kosten von März bis Juni ausschließlich für den Betrieb gedacht waren. Soweit alles gut, aber was ist denn mit den privaten Kosten, die Jeder hatte bzw. immer noch hat? Dafür gab es bis zum heutigen Tag keine Hilfe!

Die „Hilfsmaßnahmen“, die das Land stellt, sind gelinde gesagt ein ganz schlechter Scherz.

Zum einen haben wir die Möglichkeit einen Kredit aufzunehmen, um unsere privaten Kosten zu decken. Was aber eine Frechheit ist! Denn wir wurden um unsere Einnahmen gebracht. Nein wir wurden beraubt in dem wir schließen mussten. Gerade in der Gastronomie ein herber Schlag für die kleinen Betriebe. Warum sollten wir uns Geld leihen, das wir eigentlich eingenommen hätten?

Verdienstausfall gibt es in ganz vielen Fällen wie auch in meinem nicht. Da kein Anspruch besteht, mit der schlechten Begründung das jeder Betrieb schließen musste da es sich um eine allgemeine Verfügung handelte. 

Die Überbrückungshilfe, die von einem Steuerberater oder ähnliches gestellt werden muss, deckt auch nur maximal 80% der laufenden Fixkosten des Betriebes. Die restlichen 20% oder mehr müssen ja aber auch erst einmal erwirtschaftet werden. Zudem fallen noch zusätzliche Kosten für den Steuerberater an, den auch viele nicht haben. Eben jene die das wie ich auch allein machen, müssen sich erst einen Steuerberater oder ähnliches suchen.

Auch die Mehrwertsteuersenkung bringt eigentlich nichts, denn diese würde sich erst wirklich lohnen wenn man größere Anschaffungen tätigt und die Freiberufler und Soloselbstständigen haben aktuell größere Sorgen als sich eine neue Küche oder ein neues Auto anzuschaffen. Beim normalen Wareneinkauf spüren wir davon nichts, da hier die Preise angehoben wurden, um die fehlende Mehrwertsteuersenkung wieder auszugleichen. 

Nun komme ich endlich zu der „Hilfe“ die ich als erniedrigend und als eine bodenlose Frechheit erachte. Wenn man nachfragt und ein bisschen recherchiert, wird man ganz freundlich auf ALG 2 verwiesen. So viele Selbstständige müssen jetzt Harz IV beantragen. Ich habe mich aus eben diesem Bezug herausgearbeitet und herausgekämpft, um jetzt wieder in diesen gehen zu müssen?

Warum gibt es keine Hilfe? Warum gibt es noch keine Möglichkeit, eine sinnvolle Alternative wie wir die um unsere Einnahmen gebracht wurden unsere privaten Kosten decken und wieder einigermaßen normal leben zu können?

Denn seit März kämpfe ich ums reine überleben, denn leben kann man das nun wirklich nicht mehr nennen.

Warum werden wir vergessen bzw. werden unsere Belange, unsere Nöte, unsere Ängste und unsere Bedürfnisse ignoriert? Denn auch wenn das Gegenteil behauptet wird, wird uns das allerdings nicht gezeigt.

Keiner unserer Politiker wird sich die Mühe machen sich in diese Lage hineinzuversetzen, denn es sind nicht sie die ihrer Lebensgrundlage, ihrer Existenzen und ihres Lebensstandards beraubt wurden bzw. werden. Wenn denn Jeder von uns „bluten muss“ frage ich mich wie denn die Obrigkeit blutet.

Ich habe mich immer an die AHA Regelungen gehalten, dennoch muss ich schließen. Bei mir hat sich noch keiner meine Gäste infiziert. Das ich nach 23.00 Uhr keinen Alkohol mehr ausschenken darf ist doch wohl ein Witz, denn riecht das Virus wie viel Uhr wir haben und greift erst nach 23.00 Uhr an?

Mit diesem zweiten Lockdown, den wir jetzt haben, werden viele Gastronomen nicht mehr überleben können, da ja immer noch die ganzen Kosten nachbezahlt werden müssen vom ersten Lockdown.

Aber darüber macht sich die ganze Obrigkeit keinerlei Gedanken, da es sie ja nicht betrifft und niemand sagt uns wie wir die Gastronomen aus der ganzen Schuldenfalle, die jetzt erst recht kommt, wieder herauskommen sollen.

Meine verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie eindringlich darum sich mal in unsere Lage hineinzuversetzen. Machen Sie sich klar, dass es so eben nicht weiter gehen kann. Wenn Sie logisch denken können, wovon ich ausgehe dann verstehen Sie meine Ratlosigkeit, und müssen zugeben das es nichts als die reine Wahrheit ist.

Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

Selina Schultz
29.10.2020

Anmerkung der Redaktion:

Leserbriefe sind Meinungen der jeweiligen Verfasser. Diese müssen sich nicht unbedingt mit der Meinung der Redaktion decken noch teilen wir diese immer. Sollten auch Sie einen Leserbrief an uns schreiben wollen freuen wir uns auf ihre Email an 24newsspeyer@web.de.

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